Vergabe- und Vertragshandbuch für die Hochbaumaßnahmen des Bundes

 

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Anhang 4 - Bekanntmachung der Grundsätze zur Anwendung von Preisvorbehalten bei öffentlichen Aufträgen
Vom 4. Mai 1972

 

Nachstehend gebe ich die Grundsätze zur Anwendung von Preisvorbehalten bei öffentlichen Aufträgen vom 2. Mai 1972-W/ I B 1 - 24 00 61; W/ I B 3- 24 19 22 - bekannt. Die Wirtschaftsminister (-senatoren) der Länder, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Städtebund, der Deutsche Gemeindetag und der Deutsche Landkreistag sind im Einvernehmen mit der Deutschen Bundesbank gebeten worden, dafür Sorge zu tragen, dass bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen nach diesen Grundsätzen verfahren wird.

 

Bonn, den 4. Mai 1972

W/ I B 1 - 24 00 61

W/ I B 3 - 24 19 22

 

Der Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen

Im Auftrag

Bauer

 

 

Grundsätze zur Anwendung von Preisvorbehalten bei öffentlichen Aufträgen

Das aus einzelwirtschaftlicher Sicht verständliche Bestreben des Auftragnehmers, sich durch Preisvorbehalte gegen eine nach Vertragsabschluß eintretende Verschlechterung seiner Kalkulationsbasis abzusichern, ist gesamtwirtschaftlich grundsätzlich unerwünscht. Preisvorbehalte können wegen der durch sie begründeten Möglichkeit der Weiterwälzung von Kosten den Widerstand der Unternehmen gegen Kostenerhöhungen schwächen. Eine generelle Anwendung von Preisvorbehalten führt außerdem dazu, dass Preiserhöhungen, die in einem bestimmten Bereich entstehen, sich weitgehend automatisch auf andere Bereiche der Volkswirtschaft übertragen. Preisvorbehalte sind daher geeignet, Preiserhöhungen selbst auszulösen und bestehende Preisauftriebstendenzen zu verstärken.

Es darf allerdings nicht verkannt werden, dass der Abschluss von längerfristigen Verträgen für die Unternehmer wegen der Ungewissheit künftiger Entwicklungen unter Umständen die Übernahme eines nur schwer kalkulierbaren Risikos bedeutet. Gleichwohl ist auch in diesen Fällen bei der Vereinbarung von Preisvorbehalten Zurückhaltung zu üben. Auf keinen Fall dürfen Preisvorbehalte vereinbart werden, wenn keine wesentlichen und nachhaltigen Änderungen der Grundlagen für die Preisbildung zu erwarten sind. Demgemäss ist nach folgenden Grundsätzen zu verfahren:

I.

1.

a)

Der Vereinbarung von festen Preisen ohne Preisvorbehalte ist der Vorzug zu geben.

 

b)

Preisvorbehalte sind nicht zu vereinbaren, wenn sie unter den gegebenen Umständen nicht üblich sind.

 

c)

Von Preisvorbehalten ohne Bindung an bestimmte Kostenfaktoren (z. B. in der Form "Preis freibleibend" oder "bei Kostenänderungen behalten wir uns die Angleichung unserer Preise vor") ist abzusehen.

 

d)

Von der Vereinbarung von Preisvorbehalten ist abzusehen, wenn der Zeitraum zwischen der Angebotsabgabe und dem Zeitpunkt der vereinbarten Lieferung bzw. Fertigstellung nicht mindestens zehn Monate beträgt. Ist das mit der Vereinbarung von festen Preisen verbundene Wagnis im Einzelfall besonders hoch, so darf ausnahmsweise von der zeitlichen Begrenzung nach Satz 1 abgesehen werden. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Zeitraum zwischen der Angebotsabgabe und dem Zeitpunkt der vereinbarten Lieferung bzw. Fertigstellung weniger als sechs Monate beträgt.

2.

Bei Preisvorbehalten in der Form von Preisgleitklauseln ist folgendes zu berücksichtigen:

 

a)

In den Preisgleitklauseln dürfen solche Kostenfaktoren nicht berücksichtigt werden, die den Preis nur unerheblich beeinflussen.

 

b)

Die Preisgleitklauseln sind so zu vereinbaren, dass sie sich nur auf den Teil der Leistung beziehen, der durch die Änderung der Kostenfaktoren betroffen wird.

 

c)

Die Preisgleitklauseln sind grundsätzlich so zu vereinbaren, dass sie erst wirksam werden, wenn ein bestimmter Mindestbetrag der Kostenänderung überschritten wird (Bagatelleklausel). Nach Überschreiten dieses Mindestbetrages kommt die volle Preisänderung, vermindert um eine gemäß Buchstaben d zu vereinbarende Selbstbeteiligung, zur Auswirkung.

 

d)

Die Auftragnehmer sind in der Regel in einer im Vertrag festzulegenden Höhe an den Mehrkosten angemessen zu beteiligen. Entsprechendes gilt bei Kosteneinsparungen (Selbstbeteiligungsklausel).

 

e)

Neben den Mehr- oder Minderbeträgen, die auf Grund von Preisgleitklauseln berücksichtigt werden, darf nur die anteilige Umsatzsteuer berechnet werden.

 

f )

Die Bemessungsfaktoren der Preisgleitklauseln sind möglichst dem Wettbewerb zu unterstellen.

 

 

Die Feststellung der Mehr- oder Minderbeträge kann erfolgen

 

 

-

durch Angabe, in welchem Prozentsatz Änderungen der jeweiligen Kostenfaktoren um 1% zu Änderungen des Gesamtpreises oder der Preise von Teilleistungen führen,

 

 

-

durch eine der Kostenstruktur des jeweiligen Auftrages entsprechende mathematische Formel,

 

 

-

auf Grund von Mengenansätzen

 

 

 

oder

 

 

-

auf Grund anderer geeigneter Methoden.

 

 

Mathematischen Formeln, die der Auftragnehmer über längere Zeitspannen mit gleichbleibenden Lohn- und Stoffpreisanteilen anwendet, sind nur dann zu verwenden, wenn die Eigenart des Erzeugnisses eine genaue Gewichtung der der Gleitklausel unterworfenen Kostenbestandteile wesentlich erschwert und der Auftraggeber, gegebenenfalls auf Grund längerer Lieferbeziehungen, die sachgemäße Aufstellung der Gleitklausel beurteilen kann.

 

g)

Der Auftragnehmer ist zu verpflichten, die zur Ermittlung der Mehr- oder Minderbeträge erforderlichen Nachweise zu erbringen.

3.

Lohngleitklauseln dürfen nur Änderungen von Löhnen und Gehältern auf Grund von Tarifverträgen oder - soweit gesetzlich zulässig - auf Grund von Betriebsvereinbarungen berücksichtigen, in letzterem Falle jedoch nur in angemessener Höhe.

 

Neben den Änderungen der Löhne und Gehälter, die dem Auftrag unmittelbar zugerechnet werden, dürfen berücksichtigt werden:

 

a)

Änderungen von Gemeinkostenlöhnen und -Gehältern,

 

b)

Änderungen der tariflichen und gesetzlichen Sozialaufwendungen.

4.

Stoffpreisgleitklauseln sind nur bei Materialien zuzugestehen, die ihrer Eigenart nach Preisveränderungen in besonderem Maße ausgesetzt sind und die bei der Herstellung des Auftragsgegenstandes wertmäßig einen hohen Anteil haben. Auf die Stoff Mehr- oder -Minderkosten dürfen außer der Umsatzsteuer keine Zu- oder Abschläge berechnet werden (Nummer 2 Buchstabe e).

II.

Bei Listenpreisen dürfen Preisvorbehalte (z. B. in der Form "es gilt der Listenpreis am Tage der Lieferung oder Leistungserbringung") nur vereinbart werden,

-

wenn Listenpreisvorbehalte unter den gegebenen Umständen in dem Geschäftszweig üblich sind und vom Auftragnehmer in seinem Geschäftsverkehr angewendet werden;

-

wenn der Auftragnehmer die Listenpreise allgemein und stetig anwendet;

-

wenn dem Auftraggeber durch eine besondere Klausel das Recht eingeräumt wird, bei einer in den ersten acht Monaten nach Vertragsabschluß durch den Auftragnehmer vorgenommenen Erhöhungen der Listenpreise eine neue Vereinbarung über den Preis zu verlangen.

Abschnitt I Nr. 1 Buchstabe a und d gilt auch für Listenpreise.